Pipeline Simulator [ˈpīp-ˌlīnˈsimuˌlā-tor]

… Anwendungssoftware zur Abbildung oder Voraussage der hydraulischen Vorgänge in einem Netzwerk aus Pipelines und geregelten Vorrichtungen  (Schieber, Verdichter / Pumpen), über das Fluide von den Einspeisequellen zu den Lieferstellen transportiert oder verteilt werden…

Simulation in Echtzeit

Für den sicheren und wirtschaftlichen Betrieb eines Rohrleitungssystems muss das Personal in der Leitwarte jederzeit über vollständige Informationen des aktuellen hydraulischen Zustandes (i.W. Druck und Fluss) und seine voraussichtliche Entwicklung in der nahen Zukunft verfügen. Die Online Simulation stellt diese Informationen bereit. Sie alarmiert das Betriebspersonal bei unzulässigen oder gar gefährlichen Betriebszuständen, wie einem bevorstehenden Lieferengpass oder einem Druckabfall. Die Online Simulation überwacht das Messsystem und deckt Messfehler auf. Eine spezielle Anwendung der Online Simulation ist die Erkennung und Ortung von Pipeline-Lecks.

Die Online-Simulation beinhaltet typischerweise eine “Was wäre, wenn”-Simulation um vorausschauend die Konsequenzen einer geplanten Steuermaßnahme oder eines angenommenen Störfalles aufzudecken.

In einem Rohrleitungssystem sind Messinstrumente nur an bestimmten Stellen installiert, und nur einige hydraulische Parameter werden gemessen. Daher ist die erste und wichtigste Aufgabe einer Online-Simulation die prozessbegleitende Berechnung des gesamten aktuellen Systemzustands (alle hydraulischen Werte an allen Stellen). Die Berechnung erfolgt auf Basis des gegebenen hydraulischen Modells und den nur unvollständig vorliegenden Messwerten. Moderne Online-Simulatoren (SIMONE) setzen Verfahren der prozessbegleitenden Zustandsschätzung ein (Zustandsrekonstruktion, State Estimation). Dieser Filteralgorithmus ermittelt den hydraulischen Zustand, der den Messungen innerhalb der Messtoleranzen möglichst nahe kommt. Der geschätzte Netzzustand beinhaltet darüber hinaus beliebige abgeleitete hydraulische Größen, wie den Leitungsinhalt oder die Fließgeschwindigkeit des Gases. Auf Basis der errechneten Geschwindigkeiten werden die Beschaffenheiten der eingespeisten Gase (Brennwert, Dichte, chemische Zusammensetzung) bis hin zu den Lieferorten verfolgt. Die Software berechnet die resultierende Beschaffenheit des Gasgemisches, das sich beim Zusammenfließen von unterschiedlichen Gasströmen ergibt. Die Online-Simulation verfolgt den Lauf von Reinigungs- oder Inspektionsmolchen Molche, die vom Gasfluss durch die Rohrleitungen geschoben werden.

Die vorausschauende Simulation ermittelt laufend die Netzzustände der nahen Zukunft, ausgehend von Nominierungen oder Prognosen der Netz-Einspeisungen und -Entnahmen. Die Simulation beantwortet die Frage nach der Überlebenszeit des Versorgungssystems, d.h. über welchen Zeithorizont ein zulässiger Netzzustand ohne weitere Steuerungsmaßnahmen erhalten bleibt.

Leckerkennung und -ortung

Ein Gasleck kann wirtschaftliche Verluste, Umweltschäden, oder gar Personenschäden zur Folge haben. Die Gründe für Gasleckagen sind vielfältig: Eingriffe durch Dritte, Bodenbewegungen, Korrosion, oder nicht fachgerechte Durchführung von Arbeiten.

Zur möglichst schnellen Erkennung eines Gaslecks gibt es externe und interne Verfahren. Externe Verfahren nutzen zusätzliche Vorrichtungen um das austretende Gas zu „riechen“ oder die durch ein Leck verursachte Geräuschentwicklung zu „hören“. Interne Methoden beruhen auf den Betriebsmessungen von Gasfluss und Druck.

Das herausragende interne Verfahren in der Praxis ist die auf der prozessbegleitenden Simulation basierende Leckerkennung. Damit werden auch kleine Lecks selbst während instationärem Netzbetrieb erkannt. Dieses Verfahren berechnet die Leck-bedingte Fehlmenge als Differenz aus der erwarteten Änderung des Leitungsinhalts, die sich aus der Bilanz der gemessenen Eingangs- und Ausgangsflüsse ergibt, und der beobachteten Änderung, abgeleitet aus Drücken und anderen Parametern. Ist die Fehlmenge nicht mehr durch Messungenauigkeiten erklärbar, gibt die Software den Leckalarm aus und meldet die geschätzte Leckgröße. Die Ortung des Lecks erfolgt danach durch Auswertung einer Reihe von Simulationsrechnungen, in denen das beobachtete Druckprofil mit den für hypothetische Leckorte simulierten Druckprofilen verglichen wird.

Fakturierung der gelieferten Energie

Gaskunden zahlen typischerweise für die bezogene Energie (kWh), also für das Produkt aus der gemessenen Bezugsmenge und dem anstehenden Brennwert. Brennwert-Messungen sind jedoch aufwändig (Messung mit einem Prozesschromatographen).

Die Brennwert-Rekonstruktion ist eine Simulationsanwendung, die die gemessenen Brennwerte im Rohrleitungssystem von den Einspeisungen bis zu den Lieferorten verfolgt. Somit macht das Rechenverfahren die Installation teurer Messinstrumente an den Ausspeisepunkten überflüssig.  

Brennwert-Rekonstruktionssysteme simulieren den Netzzustand über den gegebenen Abrechnungszeitraum. Die Software ermittelt die Fließgeschwindigkeiten in den Leitungsabschnitten. Die Gasfronten, die den jeweiligen Ort einer Gasbeschaffenheitsänderung anzeigen, werden dann mit den berechneten Geschwindigkeiten von den Einspeisestellen bis hin zu den Lieferorten bewegt.

Offline Simulation

Eine Offline Simulation beruht auf Vorgaben des Anwenders, im Gegensatz zur Online Simulation, die im Wesentlichen auf Messungen aus dem Prozess basiert.

Offline Simulationen können stationäre Fließszenarien betreffen, bei denen der hydraulische Zustand zeitlich konstant bleibt, oder transiente (dynamische) Szenarien, deren Werte sich in der Zeit verändern. Die stationäre Analyse wird häufig für die Langzeit- oder Ausbauplanung sowie zur Kapazitätsbestimmung genutzt. Transiente Szenarien kommen eher zur Analyse kurzfristiger Betriebssituationen oder -ereignisse zum Einsatz.

Konfiguration des hydraulischen Modells

Ein hydraulisches Modell besteht aus den zwei Teilen "Netz" und "Szenario".  

Ein Netz definiert die statischen Eigenschaften der Objekte des Rohrleitungssystems (z. B. Rohre, Regler, Verdichterstationen) mit ihren Namen, Parametern und topologischen Beziehungen.  

Ein Szenario beschreibt die spezifischen Setzungen für die zu simulierende Situation im vorgegebenen Netz. Es besteht aus den Anfangsbedingungen, den Randbedingungen und den Steueranweisungen.  

Anfangsbedingungen betreffen transiente Simulationen, da sie den hydraulischen Zustand zum Startzeitpunkt der Simulation festlegen. Die Randbedingungen definieren die Parameter an den Netzrändern (i.w. Einspeise- und Liefermengen). Steueranweisungen beschreiben i.w. den Betrieb geregelter Elemente (z.B. Schieberstellungen, Sollwerte von Reglern und Verdichtern).

Schnittstellen

Ein Pipeline-Simulator muss mit der Außenwelt kommunizieren und Daten austauschen können.

Der Aufbau und die Pflege des Netzmodells, die Definition und Ausführung der Simulationsszenarien und die Analyse der Simulationsergebnisse erfordern eine zugeschnittene Benutzeroberfläche. Stand der Technik in der Simulationstechnologie sind grafische Benutzerschnittstellen (GUI) mit objektorientierter Navigation in einem topologischen Weltbild des Pipelinesystems.

Anwendungslösungen binden häufig einen Pipelinesimulator ein um bestimmte Flussszenarien zu berechnen. Dazu muss der Simulator über eine Anwendungs-Programm-Schnittstelle (API) verfügen, die es der Anwendungslösung erlaubt Eingabedaten zum Simulator zu schicken, eine Simulationsrechnung zu starten, Ausgabedaten vom Simulator zu erhalten und sogar den Simulator genau wie ein interaktiver Anwender „fernzusteuern“.